In diesem Herbst haben wir einen Workshop mit Ricardo Leppe in Niederbayern besucht. Schon lange kennen wir diesen authentischen, sympathischen jungen Mann aus Videos und Interviews. Ihn nun leibhaftig zu erleben, war sehr beeindruckend. Unsere liebe Bekannte Barbara Niederberger hat folgenden  Bericht dazu geschrieben, in dem du einen kurzen und lebendigen Eindruck von Ricardo und seinem Ansatz zu lehren bekommst.

 

Ricardo Leppe hat mit seinen 34 Jahren schon mehr erlebt und gesehen als viele andere in ihrem ganzen Leben. Er ist Zauberer und Gedächtniskünstler, hat drei Jahre im peruanischen Urwald bei den Inkas gelebt und wurde in den ersten vier Schuljahren von seinen Eltern zu Hause unterrichtet, teilweise nur eine halbe Stunde pro Woche. Erst ab dem 10. Lebensjahr besuchte er die Regelschule. «Ich bin Österreicher, dort ist Unterricht zu Hause gesetzlich erlaubt. Die 30 Minuten «Schulzeit» pro Woche waren ausreichend, um bei den Prüfungen immer die besten Noten zu haben. Erst als Physik und Chemie auf dem Lehrplan standen, besuchte ich das öffentliche Gymnasium. Schulstress kannte ich daher aus meinem eigenen Leben nicht», erzählt Ricardo und ist überzeugt: «Jedes Kind ist ein Genie. Jedes Kind kann mit Leichtigkeit lernen. Wichtig ist: Es sollte spielerisch geschehen. Mit Freude. Mit Sinn. Dann kannst du in kürzester Zeit das lernen, wofür andere Jahre brauchen.»

Da er sich als gelernter Zauberer auch viel merken muss – Zahlen, Namen, Abläufe – weiß Ricardo aus eigener Erfahrung und durch intensive Recherchen zahlreicher Fachgebiete, wie unser Gehirn funktioniert. „Kurz und knapp gesagt: Wir lernen am leichtesten, was „blöd“ und lustig ist. Deshalb funktionieren die dümmsten Werbesprüche und Computerspiele so phantastisch – weil es ganz oft sinnlose Sprüche sind und die Spiele Spaß machen. Außerdem lernen wir mit Freude, wenn etwas emotional ist. Kinder, die von ihren Eltern für ihre Zeichnungen und Bastelarbeiten mit Gefühl und Freude gelobt werden, basteln und malen voller Begeisterung weiter. Außerdem braucht unser Gehirn Verknüpfungen, um mit neuen Informationen etwas anfangen zu können – d.h. Vergleiche (so groß wie ein Elefant) oder die Möglichkeit etwas auszuprobieren oder wortwörtlich zu be-greifen“, so Ricardo Leppe.

Auch da weiß er, wovon er spricht. In den letzten Jahren war er nonstop auf Tournee durch Schulen im gesamten deutschsprachigen Raum und „dort habe ich täglich den Vollwaschgang gemacht: Am Vormittag war ich in den Klassen bei den Kindern, am Nachmittag bei den Lehrern und am Abend bin ich mit den Eltern zusammengesessen. Also meistens 10 Stunden reden pro Tag. Die Schulen besuche ich kostenlos, weil es sowieso nirgends ein Budget gibt. Das schönste für mich ist es, daß die Kinder dann zu mir kommen oder sogar Briefe schreiben und sich bedanken und solche Dinge sagen, wie: „Ich dachte, ich bin einfach zu blöd. Aber jetzt weiß ich, ich bin ein Genie.“

Schule der Zukunft

Da es nicht möglich war, alle etwa 80 000 Schulen im deutschsprachigen Raum persönlich zu besuchen, um mit allen Schülern, Lehrern und Eltern zu sprechen, fasste Ricardo Leppe den Entschluss, ein Schulkonzept zu erstellen, das sowohl seine eigenen Lernerfahrungen, seine Erlebnisse an den Schulen und die Erkenntnisse anerkannter Experten wie die von Dr. Gerald Hüther oder Vera Birkenbihl enthalten sollte. Heute sagt er dazu lachend: „Ich habe es geschrieben und weggeworfen, weil nämlich ein gravierender Denkfehler drin war. Das Konzept war von mir, aus meiner heutigen Erwachsenen-Sicht verfasst – es geht aber um die Kinder. Also ist mir klar geworden: Ich muss mit denen reden, die es betrifft. Daraufhin habe ich mit mehr als 50 000 Kindern zwischen 6-19 Jahren aus verschiedensten Ländern und Regionen, Stadt wie Dorf gesprochen und sie gefragt, wie sie sich die Schule der Zukunft vorstellen. Und kein einziges Kind hat je gesagt, daß es nichts lernen möchte.“

Daraus ergab sich für ihn ein Konzept aus drei Schritten. Der erste Schritt besteht darin, den Lernstoff, wie er gerade laut Lehrplan vorgegeben ist, durch seine „Leicht-Lern-Methoden“ auf 10-15% der aktuell benötigten Zeit zu reduzieren. Dadurch bleibt mehr Zeit für die Vermittlung von praktischem Wissen – z.B. Verständnis für den eigenen Körper, Ernährung, Sport, Lernen aus der Natur, das Denken in Kreisläufen und überhaupt das Lernen zu erlernen. „Wenn wir wissen, wie unser Gehirn arbeitet, wie Informationen verarbeitet werden und wofür welche Gehirnhälfte zuständig ist, dann wird kein Schüler oder später kein Erwachsener mehr von sich behaupten, schlecht in Mathe zu sein oder ein schlechtes Namensgedächtnis zu haben. Wir wissen bloß nicht, wie wir mit Spaß lernen und so, daß es gespeichert bleibt. Ein einfaches Beispiel aus der Physik. Irgendwann müssen die Kinder die verschiedensten Formeln auswendig lernen – sozusagen eine Reihe sinnloser Buchstaben. Unser Gehirn ist seit Jahrtausenden auf Geschichten trainiert. Früher wurde schließlich alles Wissen mündlich überliefert – damit können wir etwas anfangen. Auch eine trockene Formel lässt sich als möglichst dumme Geschichte sehr einfach lernen und merken, während bloße Zahlen oder einzelne Buchstaben für unser Hirn keinen Sinn ergeben und daher schnell wieder gelöscht werden. Die kurze Geschichte zur Formel: ‚Ein dicker Frosch isst Mückengulasch’ – und als Formel: F=mg (Formel für die Gewichtskraft F, als Produkt der Masse (m) mit der Schwerebeschleunigung (g)). Was bleibt eher im Kopf?», fragt Ricardo Leppe die staunenden Zuhörer.

 Der zweite Schritt, den er zusammen mit den Kindern erarbeitet hat, ist das Arbeiten an Projekten. Für die Kinder ist es enorm spannend, ihr neues Wissen praktisch anzuwenden. Etwas über das Messen von Abständen und geometrische Körper zu lernen, bleibt hohl und theoretisch. Sobald aber ein Kästchen gebaut wird, ergibt es Sinn, Länge, Breite und Höhe zu messen und zu entscheiden, ob es rechteckig oder quadratisch werden soll. Er bringt es drastisch auf den Punkt»: Ich bin gegen das ‘Bulimie-Lernen’, wie ich das nenne: reinschaufeln – rauskotzen und dann vergessen.»

Auch der dritte Schritt auf dem Weg zur Schule der Zukunft stammt von den Kindern selbst. Dabei geht es um Dezentralisierung. Es soll die Möglichkeit geben, zu wählen – wie, wann und wo man lernen möchte – in einer herkömmlichen Schule, in einer Freien Schule oder zu Hause.

«Jeder Mensch hat einen anderen Biorhythmus – ein Kind, das ein Morgenmensch ist, kommt mit dem derzeitigen Schulsystem besser zurecht als eines, das erst am Abend aufnahmebereit und leistungsfähig ist. Außerdem benötigt unser Gehirn etwa 40-45 Minuten, um sich voll und ganz auf ein neues Thema einzustellen. Eine normale Schulstunde endet aber nach 45 Minuten und ein anderes Fach beginnt. Deshalb sage ich so gerne: Ausbildung bedeutet, es ist aus mit der Bildung“, scherzt Ricardo Leppe, bevor er betont, daß er noch locker 100 weitere Stunden darüber referieren könnte, was Mathematik überhaupt ist, wie man spielend leicht Sprachen erlernt und wie unsere Körpersprache funktioniert.

Wer sein Wissen auf diesen Gebieten vertiefen möchte, darf gerne Ricardo Leppes Homepage besuchen. Er meint: „Es ist schön, wenn jemand an meinen „Wirkshops“ teilnimmt – bei dem wir etwas bewirken wollen, es ist aber nicht notwendig. Auf meiner Homepage www.wissenschafftfreiheit.com sind hunderte Videos und Vorträge frei zugänglich. Diese Inhalte dürfen auch kopiert und weitergegeben werden. Mein Copyright lautet: Tue damit, was du möchtest.“

Barbara Niederberger